Es war einmal, so fangen die
vielen Märchen an, die von den Brüdern Grimm gesammelt
und aufgeschrieben wurden. Es war einmal, so fangen auch
spanische Märchen an. Sie handeln von armen Kindern,
lustigen Großeltern, treuen Tieren, bösen Geistern,
guten Feen und oft von besonderen Leuten. So waren einmal in
Sevilla im Süden Spaniens deutsche Familien mit ihren
Kindern, die wollten ihre Sprache und ihre Lieder, ihre Art zu
leben und ihre Märchen erhalten und fördern. Sie
wollten ihre Kultur den Spaniern erklären, auch um
Freundschaften und Verständnis zu finden. So war dies 1921,
als eine kleine deutsche Schule in Sevilla gegründet wurde.
So ist es bis heute geblieben, auch wenn aus diesen Anfängen
nach mehr als 75 Jahren und wechselhafter Geschichte aus dem
"colegio aleman" eine grosse Schule mit 520 meistens
spanischen Schülern geworden ist, die den Namen Albrecht
Dürers trägt. Teil dieser Deutschen Schule ist eine Art
Vorschule, in der etwa 100 Kinder im Alter von nur 4 bis 6 Jahren
ihre erste Bekanntschaft mit Deutschland, seiner Sprache und dem
Kindergarten machen.
Im Eingang zum Colegio Aleman finden Sie ein Bild der spanischen Königin Sophia und ein Bild des deutschen Bundespräsidenten Roman Herzog. Die deutsche Schule und unser Kindergarten besitzen ein neues Gebäude, das vor zehn Jahren mit viel Verwandtschaft zum Bauhaus Stil errichtet wurde. Unsere Vorschule ist anders als ein deutscher Kindergarten. Die Kindergärtnerinnen werden offiziell "profesora" genannt, von den Kindern natürlich nicht. In unseren Klassen der Vorschule sind etwa 15 bis 20 Kinder, Jungen und Mädchen. Sie heissen Elena, Rocio oder Maria, Luis, Manuel oder Pablo. Oft sind dies die Enkelkinder früherer Schüler der deutschen Schule. Die spanischen Kinder sind temperamentvoll, laut, unruhig, voller Lebensfeude und Neugier. In den zwei Jahren Kindergarten-Vorschule sollen sie deutsche Umgangsworte und einfache Sätze lernen und sprechen können. Hierfür und für den übrigen Tageslauf der Kinder in der Vorschule sind 6 Kindergärtnerinnen tätig. Die Vorschule ist beliebt. Nur ein Teil der Bewerber kann aufgenommen werden. Die Kosten für die Schule werden durch Schulgeld gedeckt. Der deutsche Staat zahlt nur bescheidene Zuschüsse. Eltern zahlen umgerechnet etwa 3.500 as für einen Andalusier sehr viel Geld bedeutet.
Was ist besonderes mit einem Platz im deutschen Kindergarten in Sevilla verbunden? Was lernen spanische Kinder über Deutschland? Zuerst lernen sie, bald in Deutsch zu sagen "Guten Morgen; wo ist mein Heft; wer hat mein Butterbrot gestohlen; die Sonne scheint; ich muß mal". Sie lernen deutsche Lieder und singen zwar mit Begeisterung, aber etwas ungläubig "Die Gedanken sind frei! Wer kann sie erraten? Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschiessen mit Pulver und Blei". Weißt Du wieviel Sternlein stehen, alle Vögel sind schon da oder Brüderchen komm tanz mit mir, ist ihnen einfacher zu verstehen. Ihr spanisches Lied "El patio de mi casa es particular" füllt das Herz natürlich stärker aus. Im Kindergarten wird gemalt, ausgeschnitten, geknetet, geklebt und auch gekocht. Wie dies die Kinder anstellen sollen wird in deutscher Sprache erklärt, oft wiederholt und auch in Spanisch vermittelt, wenn der Wortschatz hierfür zu schwierig wird. Es gibt Puzzlespiele, die aus Holz geschnitten sind, Rechensteine von einer kleinformatigen 1 bis zu einer ziemlichen grossen 10. Es gibt Lego, Kasperlepuppen und natürich Bauklötze. Die Kinder können auf Stelzen laufen und Seilchen springen, wie die deutschen Kinder sicher auch.
Deutsche Bilderbücher sind beliebt. Wie aber soll
vorgelesen und verstanden werden, wenn der deutsche Sprachschatz
noch sehr begrenzt ist? Die alte Häschenschule und das
Dackelbuch Waldi von Fritz Koch-Gotha, Sir Gaiwan und die
hässliche Alte, Frau Sonne von Heinrich Hoffmann dem
Struwelpetervater, an diesen Büchern freuen sich mehr die
Lehrer als die Kinder. Bei mehr als 35 Grad im Schatten, so warm
wird es nicht selten in Sevilla auch ausserhalb der Ferien, ist
das "Mammut das im Eise steckt und mit dem der Walter dann
Vanilleeis und Urweltbiskuit ißt" ein schöner,
kühler Traum und eine tolle Geschichte. Die Kinder lieben
den Elefanten Barbar, kennen die Bücher von Leo Lioni,
kennen auch die Geschichte vom Maulwurf, der wissen wollte, wer
ihm auf den Kopf gekackt hat. Sie kennen Rasputin den
Vaterbär von Janosch und auch den krähenden Hahn
Caruso, weil diese Bücher inzwischen ins Spanische
übersetzt wurden. Europa grüsst Sevilla. Die alten Tage
von "Antonita La Fantastica" sind vorbei. Nur die
Mütter erinnern sich noch an diese Geschichten.
Die Schule beginnt immer Mitte September eines Jahres, nachdem lange 3 Monate Sommerferien vorüber sind. Um 9 Uhr beginnt die Klasse, hat um 11 Uhr eine Pause für Butterbrot und Joghurt, zwischendurch oft Entspannung im großen Schulhof und auf einer angrenzenden Wiese bis die Kinder um halb drei meistens von den Müttern wieder abgeholt werden. So ist es an jedem normalen Schultag. Fröhliche Anlässe und Meilensteine sind die kirchlichen Feste wie Sankt Martin, Nikolaus, Weihnachten, Dreikönigsfest und Ostern. Der Kindergarten hat dafür die typisch deutschen Sitten auf diese Feste übertragen und findet damit grossen Anklang. Der geschmückte Tannenbaum und alle Jahre wieder kommt das Christuskind, sind ebensowenig spanische Bräuche wie der Osterhase, der die bunten Eier versteckt. Die Geschenke bringen in Spanien die "reyes magos" am 6.Januar. Der Nikolaus kommt in den deutschen Kindergarten, und Sankt Martin wird mit grossem Feuer und Laternengesang gefeiert.
Einmal im Jahr macht die Kindergartenklasse einen Ausflug mit Übernachtung und ohne Eltern. Darüber wird beim Elternabend geredet, wo auch einmal die Kinder zum Scherz als Eltern sprechen und die Eltern die Rolle ihrer Kinder spielen müssen. Es ist sehr lustig, wenn ein dicker Vater bei der Reise nach Jerusalem den nächsten Stuhl verpasst. So ist das alles im Kindergarten der deutschen Schule in Sevilla.
Besuchen Sie uns: |
|
|
Copyright © 1996,97,98 Gebrüder Grimm GmbH -- PageDesign by BigEasy |